In manchen Lehren wird davon gesprochen, dass man - um sich spirituell oder geistig weiterentwickeln zu können - das Ego auflösen oder gar "vernichten" muss. Das halte ich für vollkommen unnötig, denn das Ego wird sich von ganz allein verabschieden, je mehr man sich daran erinnert, wer man wirklich ist. Ich fand es nie gut, wenn über das Ego wie über einen Feind gesprochen wird, den man loswerden oder besiegen muss. Ich glaube, dass dieser Umgang mit dem Ego auch eher schädlich ist, denn ein Kampf gegen etwas verursacht immer nur neuen Kampf und eine Stärkung dessen, was man bekämpt - nicht etwa den Sieg. Ich denke, das Ego ist nur ein Platzhalter - eine Maske, die wir so lange tragen, bis wir uns erinnert haben, dass wir diese Maske nicht sind.
Durch das Ego identifizieren wir uns mit unserer Geschichte, mit unseren anerlernten Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, unseren Programmen, Mustern und Prägungen. Wir identifizieren uns mit unseren Wünschen und Sehnsüchten, unseren Begierden, unseren Meinungen und Bewertungen und mit unseren Ängsten. Dann sagen wir: Das bin ich. Das sind meine Eigenschaften. Wenn jemand diese Eigenschaften nicht mag oder gar angreift, fühlt sich das Ego schnell verletzt und bedroht. Es sucht stets nach Anerkennung, Bewunderung und Aufmerksamkeit. Es will unentwegt gestärkt werden und es bekommt von dieser Stärkung niemals genug. Es leidet ständig unter Energiemangel. Wenn es Energie bekommt, in Form von Bewunderung oder Anerkennung, fühlt es sich wohl und geschmeichelt. Doch sobald die Bewunderung nachlässt, ist der Mangel wieder da und die Suche nach Stärkung beginnt von Neuem.
Der Grund dafür ist simpel: Das Ego ist nicht unser wahres Selbst. Es denkt nur, es sei der Chef im Laden und die einzig existierende Person in diesem Körper. Es fühlt sich getrennt von der Welt und all den anderen Wesen da draußen. Es fühlt sich von allem getrennt und braucht deshalb ständig Energiezufuhr. Denn wo soll es denn die Energie her nehmen, wenn es von allem getrennt ist? Es braucht Menschen im Außen, die es versorgen und die ihm seine Existenz bestätigen. Menschen mit einem starken Ego sind niemals selbstbewusst. Sie leiden ständig an einem Mangel und müssen sich ein gespieltes Selbstbewusstsein aufsetzen, das sich dann in Überheblichkeit, Arroganz und Egoismus äußert. Wahres Selbstbewusstsein ist das Bewusstsein des wahren Selbst. Ein Mensch, der erkannt hat, dass er unabhängig von seinem Ego existiert und nicht von seinen Bedürfnissen gelenkt wird. Ein wirklich selbstbewusster Mensch benötigt weder Anerkennung noch Bewunderung.
Je bewusster ein Mensch wird, umso klarer sieht er, dass er nicht aus den Begierden des Egos besteht und auch nicht aus seinen erlernten Eigenschaften, Strukturen und Mustern. Je bewusster ein Mensch wird, umso mehr rückt das Ego in den Hintergrund. Es löst sich Stück für Stück auf, je mehr man sein wahres Selbst erkennt. Das kann manchmal erschreckend sein, denn wenn das Ego seinen Halt verliert, bekommt es Angst. Wenn die Identifikation aufhört, man nicht mehr glaubt aus seinen Ängsten und Begierden zu bestehen, die Bewertungen und Meinungen über sich selbst und die Welt nachlassen, beginnt das Konstrukt "Ego" zu wackeln. Der sprichwörtliche "Tod" des Egos ist gar nicht so abwegig, denn es ist tatsächlich ähnlich wie ein Sterben. Jedoch ist es nur der Glaube, dass man aus diesem Ego besteht, der stirbt. An dessen Stelle tritt schließlich ein anderes Bewusstsein.
Wenn sich das Ego verabschiedet, kommt eine andere Sichtweise zum Vorschein - das Bewusstsein, mit allem verbunden zu sein. Man fühlt sich als Teil eines großen Ganzen, dessen Existenz mit jeder anderen Existenz verwoben ist. Man ist kein getrenntes Wesen mehr, das allein umher irrt, sondern sowohl ein Teil des Ganzen als auch das Ganze selbst. Dieses Bewusstsein verursacht eine grundlegende Veränderung des Menschen, der sich zuvor mit einem Ego identifiziert hat. Ohne Ego heben sich die Grenzen des Verstandes auf. Aus einem entweder-oder wird ein sowohl-als-auch, was sich auf das polare/gegensätzliche Denken auswirkt. Die Dinge sind nicht mehr schwarz/weiß, gut/schlecht, richtig/falsch. Bewertungen verwandeln sich in eine neutrale und umfassende Beobachtung der Realität - ohne Urteil. Ohne Ego kommt das wahre Selbstbewusstsein zum Vorschein, das weder verletzt noch beleidigt werden kann. Mit dem Bewusstsein Teil eines Ganzen zu sein, ist alles Teil von einem selbst. Man kann es mit dem Sprichwort der Lumenier bezeichnen: "Alles ist eins - und ich bin alles."
All diese Veränderungen können einem Angst machen und einen manchmal auch erschrecken. Wenn die Bewertungen aufhören, kommt der Verstand nicht selten mit der Befürchtung, dass man nun gefühllos geworden ist. Man kann sogar zunächst in eine Depression fallen, wenn man nicht weiß, was geschieht oder wenn man sich gegen die Veränderungen wehrt. Tatsächlich ist man jedoch noch sehr wohl zu Gefühlen in der Lage. Sie heben sich allerdings in ganz andere Dimensionen hinauf. Die Gefühle, die zuvor das Ego zufrieden gestellt haben, mögen sich auflösen und es mag einen zunächst erschrecken, dass man nicht mehr das alte Begehren spürt, das einen angetrieben hat. Man könnte verwirrt darüber sein, dass man plötzlich keine Lust mehr spürt, der Befriedigung von Begierden nachzujagen. Das Streben nach Anerkennung, Bewunderung, Besitz, oder der Drang etwas zu leisten, zu verändern, zu verbessern, selbst das Verlangen nach Karriere und nach Erfüllung von früheren Wünschen kann sich auflösen.
Doch an dessen Stelle tritt ein ganz anderes Gefühl. Es ist das Gefühl der Verbundenheit mit allem, was ist. Das Gefühl der Einheit. Auf einmal gibt es nur noch einen Antrieb, einen Drang: Das Ausleben dieses Gefühls. Denn es übersteigt alles, was man zuvor als Glücksgefühl oder Erfüllung bezeichnet hat. Man kann es nicht einmal als einen Drang oder Antrieb bezeichnen, denn man fühlt sich in keinster Weise getrieben oder gedrängt irgendetwas zu tun. Stattdessen sucht nun etwas in einem nach Entfaltung, das durch das Ego immer im Verborgenen gelegen hat. Es ist das wahre Selbst. Wenn sich das Ego verabschiedet, drängt das wahre Selbst nach Entfaltung. Und hier beginnt ein Abenteuer, das sich unser Verstand wohl kaum ausmalen kann. Hier beginnt unser Aufbruch in neue Dimensionen unseres Lebens. Ich habe versucht diesen Aufbruch in "DiVine" zu beschreiben und ich hoffe, dass ich damit eine Unterstützung für all jene geben kann, die ein wenig Angst vor dem Auflösen des Egos haben. Denn die Protagonisten in der Geschichte gehen auch durch Ängste und Verwirrungen, weil sich ihr Ego auf ihrer Reise von ihnen verabschiedet.
Schreiten wir mutig voran! WIR sind DiVine = Wir sind göttlich!