
Stellen wir uns vor, dass es keine absolute Wahrheit gibt. Das würde bedeuten, dass zum Beispiel die Naturgesetze und das Gesetz der Anziehung nur Varianten sind. Realitätsvarianten. Vielleicht gibt es unzählige solcher Varianten. Vielleicht fällt in einem anderen Universum der Apfel nicht vom Baum, sondern der Baum vom Apfel. Und dann auch nicht nach unten, sondern nach oben. Wer kann das schon sagen? Hier in unserem Universum,
in unserer Welt und in unserem Leben haben wir uns vielleicht einfach an bestimmte Varianten, wie die Naturgesetze, gewöhnt und darauf "geeinigt". Sie bilden eine Ordnung in unserem Universum, ohne die wir kaum existieren könnten. Eine solche Ordnung gibt es auch in unserem Körper, der nur aus diesem Grund so wunderbar funktionieren kann. Unsere ganze Welt besteht aus einer Ordnung. Wir wissen zum Beispiel, welche Konsequenzen es hat, wenn wir aus einem Hochhaus springen. Vermutlich werden wir nicht leichtfüßig auf dem Boden aufkommen, so wie Nikolas. Es gibt bei uns so etwas, wie Schwerkraft, der wir unterliegen. In unserem Körper gibt es ein Herz-Kreislauf-System, ein Verdauungssystem, die Atmung, Wundheilung. Das alles sind Systeme, die ohne unser Zutun von ganz allein funktionieren. Man kann sie auch Programme nennen. Oder alle Systeme und Programme in unserer Welt gemeinsam als Matrix bezeichnen. Diese Matrix ist die Ordnung unserer Welt. Sie beinhaltet auch das Prinzip der Kausalität – Ursache und Wirkung. Wenn ich einen Stein ins Wasser werfe, entstehen Wellen. Würde es diese Ordnung nicht geben, stünden wir mitten im Nichts. Wir könnten nicht existieren. Wie sollten wir auch leben, ohne funktionierenden Körper? Wie sollten wir über den Planeten laufen, ohne Schwerkraft? Vielleicht würden wir fliegen, aber auch das wäre dann ein Programm, das uns erst die Möglichkeit bietet zu fliegen.
Ohne Ordnung wäre ein Leben nicht möglich. Doch, wenn diese Ordnung nicht die absolute Wahrheit ist, sondern nur eine Variante einer Ordnung, würde dies bedeuten, dass es unzählige weitere Varianten gibt. Wir haben uns hier auf eine Variante geeinigt. Wir übernehmen sie schon bei der Entwicklung im Mutterleib. Da wird uns einprogrammiert, wie unser Körper zu funktionieren hat. Wenn wir dann auf der Welt sind, sehen wir, wie diese Welt funktioniert, lernen, speichern und entwickeln uns in dieses System hinein. Wenn unsere Eltern sagen, dass wir es nicht Wert sind, reich zu sein, dann ist das so und gehört zu dieser Variante, zu diesem unserem System dazu. So, wie es zu Lucys Realität gehört hat, ihr Dasein in einem Armutsbewusstsein zu fristen, so gehört es zu unserer Realität, was wir von unseren Familien gelernt haben. Später erkennen wir dann vielleicht, dass diese alten Glaubenssätze nicht wahr sind. Aber wer sagt uns, dass sie nicht wahr sind? Irgendein schlaues Buch, ein schlauer Mensch oder jemand, der etwas ganz Anderes glaubt, als wir. Was ist Wahrheit? Ist es wahr, was wir glauben oder ist es eine Lüge? Wir können das nicht sagen, weil es die absolute Wahrheit nicht gibt. Was für uns wahr ist, ist für einen anderen Menschen Unsinn. Was wir glauben, ist nur eine Variante und irgendwann fangen wir an, diese Variante der Wahrheit zu hinterfragen. Vielleicht haben wir uns ja geirrt und es ist ganz anders. Vielleicht sind wir gar nicht wertlos, so wie es uns beigebracht wurde. Irgendjemand, vielleicht eine Nina Nell, sagt, dass wir wertvoll sind. Ist das wahr? Ich habe vielleicht eine Antwort: Ja und nein. Es ist genauso wahr, wie der Glaube wertlos zu sein und es ist genauso unwahr. Es ist nur eine Variante. Wenn es keine absolute Wahrheit gibt, dann ist es nicht wahr, dass Lucy den Reichtum nicht verdient hat. Und es ist auch nicht wahr, dass sie ihn verdient hat. Weder der eine Glaubenssatz noch der andere hat ein Recht, sich selbst als die absolute Wahrheit zu betrachten. Der negative Glaubenssatz ist nicht wahrer, als der positive. Sie sind beide austausch- und wandelbar. Sie sind nur Varianten.
Ich möchte hier ein Beispiel aus meinem Leben zeigen, wie man mit solchen Glaubenssätzen umgehen kann. Ich behaupte nicht, dass es die ultimative Lösung ist. Es ist nur eine Möglichkeit. Eine Variante. ;-) In meiner Kindheit stand ich in unserer Familie oft hinten an, weil meine Geschwister den größten Teil der Aufmerksamkeit meiner Eltern gefordert haben. Sie waren sehr schwierig und haben viele Probleme gemacht, weshalb meine Eltern hauptsächlich mit ihnen beschäftigt waren und nicht mit mir. Sie haben sich zwar liebevoll um mich gekümmert, aber ich war nicht anstrengend, sondern pflegeleicht, problemlos, lieb und so mussten sie sich um mich keine Sorgen machen. Das erleichterte sie natürlich, weil sie ja schon genug Probleme mit den anderen hatten. Ich war die Kleinste von allen, hatte Freunde, war später gut in der Schule und habe mich allein beschäftigt, wenn ich zu Hause war. Nicht zuletzt deswegen, weil ich gesehen habe, wie viel Stress sie hatten. Ich wollte sie da nicht noch mehr stressen. Jedoch entwickelte sich dadurch in mir langsam und heimlich der Glaube, klein und unbedeutend zu sein. Daraus entstand später eine starke Schüchternheit, Introvertiertheit und Unsicherheit. Ich habe mich immer hinten angestellt. Andere waren wichtiger als ich. Als ich erwachsen war und einen Freund hatte, stellte ich ihn in den Mittelpunkt und mich in seinen Schatten. Alles um mich herum schien bedeutender und wichtiger zu sein, als ich. Dieser Glaube unbedeutend zu sein, hat lange in mir existiert. Er fing erst an langsam zu zerbröckeln, als ich auf meiner Euphoriareise erkannt habe, dass ich mich auch anders fühlen konnte und durfte. Dass ich mich wichtig, bedeutend und groß fühlen konnte. Zuvor hatte ich mich mit Affirmationen und anderen Techniken beschäftigt, um diesen Glauben in mir zu ändern. Aber mir einzureden, ich sei wichtig und bedeutend, war einfach eine Lüge, die ich mir da erzählte und ich habe mir kein Stück geglaubt. Erst, als ich die Sache mit der Absichtslosigkeit entdeckte und mich, ohne etwas damit zu bezwecken, einfach aus Spaß einmal in das Gefühl hineinversetzte, bedeutend zu sein, veränderte sich etwas. Dieses Spiel stieß eine enorme Entwicklung an. Ich erkannte meine Freiheit, dass ich zu jeder Zeit fühlen konnte, was immer ich wollte.
Ich erkannte, dass der Glaube, klein und unbedeutend zu sein, nicht wahr sein konnte, wenn ich doch in der Lage war, sein absolutes Gegenteil zu fühlen. Dieser Glaube wollte mir zwar immer wieder einreden, dass er und nur er die absolute Wahrheit war, aber das konnte ich so nicht mehr sehen. Er war da, ja, aber da war noch etwas Anderes. Ich spielte dieses Spiel weiter, fantasierte mir Szenarien zusammen, in denen ich mich wichtig fühlte, spielte mit diesen Gefühlen, verstärkte sie, schrieb sie auf, malte sie und verlieh ihnen auf jede erdenkliche Weise Ausdruck. Und nach nur wenigen Tagen fing ich dann plötzlich an, mich intensiv um mich zu kümmern. Alles andere rückte mehr und mehr in den Hintergrund und ich selbst stand auf einmal im Mittelpunkt meines Universums. Ich verwandelte mich, fühlte mich auf einmal wichtig und bedeutend, achtete auf mich, fragte mich selbst immer wieder, wie es mir ging und tat mehr und mehr, um mich gut zu fühlen. Ich entschuldigte mich sogar bei mir, wenn ich mir den Zeh stieß, so verrückt das auch klingen mag. Ich fand mich wichtig und wollte, dass es mir gut ging. Durch diese innere Veränderung entstanden auch Änderungen im Außen. Freundschaften zerbrachen, Beziehungen lösten sich auf, Menschen verschwanden aus meinem Leben, die mich so nicht kannten. Und ich muss sagen, ich verabschiedete sie mit Freude. Sie passten nicht mehr zu mir und meinem Leben. Ich veränderte mein Verhalten, ließ mich nicht mehr in den Hintergrund drängen und entwickelte ein starkes Selbstwertgefühl. Es ging soweit, dass ich in einer Situation auf ein Kompliment nicht mit Verlegenheit, sondern mit einem spontanen »Ich weiß!«, reagierte, was früher für mich undenkbar gewesen wäre. Das löste erst einmal Erstaunen in meinem Umfeld aus, doch die meisten gewöhnten sich an mein neues Ich.
Im Laufe der Jahre festigte sich dieses Bewusstsein immer mehr in mir, wurde jedoch auch öfter auf harte Proben gestellt, in denen ich wieder andere Menschen in den Mittelpunkt stellte und mich selbst vergaß. Der alte Glaubenssatz schien also noch da zu sein und manchmal stellte er sich noch als die einzige Wahrheit hin. Er war zwar nicht mehr so groß und übermächtig, wie früher, sondern eher klein, doch er wollte nicht völlig verschwinden. Ich nahm das einfach so hin und akzeptierte die Vorstellung, dass er sich vielleicht niemals ganz auflösen würde. Er war schließlich ein Teil von mir und hatte viele Jahre zu mir gehört und mein Leben mitgestaltet. Ich sagte also zu ihm: »Ok, du kannst bleiben, wenn du willst.« Es war mir mittlerweile nicht mehr wichtig, ihn loszuwerden. Ich hatte mich ja sehr verändert und erkannt, dass er nicht die absolute Wahrheit ist. Ich war zufrieden mit mir und er störte auch nicht besonders.
Dann, an einem meiner Schreibtage, als ich mich intensiv mit der Polarität auseinandersetzte, wurde mir auf einmal klar, dass der Glaube, wichtig und bedeutend zu sein, ja genauso wenig die absolute Wahrheit war, wie der Glaube unbedeutend zu sein. Es war nur eine Variante. Eine Fühlvariante, eine Realitätsvariante, eine Möglichkeit von unzähligen anderen und eine Polarität - nichts weiter. Ich konnte auswählen aus einem ganzen Fühluniversum und ich hatte mich für dieses Gefühl entschieden. Aber es war nicht wahr oder unwahr, nicht gut oder schlecht, nicht richtig oder falsch. Es war einfach nur da und ich war frei, es zu fühlen oder es zu lassen. Diese Erkenntnis löste plötzlich einen Freudentaumel in mir aus. Ich wusste zunächst nicht, wieso. Die Freiheit, fühlen zu können, was immer ich wollte, hatte ich ja schon vorher gekannt. Erst in den folgenden Wochen bemerkte ich dann, dass mein alter Glaubenssatz völlig verschwunden war. Ich konnte ihn nicht mehr finden, so sehr ich auch suchte. Er hatte sich vollkommen in Nichts aufgelöst.
Wenn ich mich dann fragte, ob ich unbedeutend war, dann reagierte ich mit einer unerhörten Gleichgültigkeit und etwas in mir fragte: »Wenn du willst?!« Dann fragte ich mich, ob ich bedeutend, wichtig und wertvoll war und auch hier kam die Gegenfrage: »Wenn du willst?«
Daraufhin erkannte ich, dass ich weder bedeutend noch unbedeutend, weder wichtig noch unwichtig war. Das waren einfach nur Gefühle, die ich fühlen konnte, jetzt und
hier! Und wenn ich eins von diesen Gefühlen öfter fühlte, dann würde ich mich daran gewöhnen und mich ständig so fühlen. Mehr war das nicht. Und auch nicht weniger. Aus diesem Gefühl war ein
neues System in mir entstanden, eine neue Variante, die genauso der Wahrheit entsprach, wie die vorherige. Oder genauso der Unwahrheit. Es war egal, ob sie der Wahrheit entsprach oder nicht – ich
konnte sie fühlen. Das war die einzige Realität.
Wenn ich mir heute eine neue Glaubenssatzvariante aussuchen wollte, würde ich auf keinen Fall versuchen, einen alten Glaubenssatz als nicht wahr zu bezeichnen. Dagegen würde er sich sofort wehren. Aber ich würde ihn auch nicht mehr als wahr betrachten. Er ist nur eine Variante aus diesem unendlichen Raum an Möglichkeiten. Ich würde ihm eine neue Variante zeigen. Und wenn er dann sagt: »Du lügst! Das ist nicht wahr!«, dann sage ich: »Du hast absolut Recht! Aber ist es nicht wunderschön?!«
Auf diese Weise ändere ich heute meine Fühl-, Glaubens-, und Denkvarianten. Ich empfinde sie nicht als wahr und nicht als unwahr. Ich empfinde sie nur. Und dann hört auch alles in mir auf, sich dagegen zu wehren, denn nichts davon entspricht der Wahrheit.